Beobachtungen zum Wiederaufbau im Ahrtal
Als ich das Foto der innerstädtischen Baustelle von unserem Projektleiter gesehen habe, dachte ich:
"Oh, klasse! Die Baustelle ist aufgeräumt! Anwohner und Fußgänger können trotzdem zu den Geschäften!"
Wer mit innerstädtischen Baumaßnahmen vertraut ist, wird das bestätigen. Natürlich ändert sich dieses Bild fast täglich, mindestens wöchentlich, da Hausanschlüsse für Abwasser (Schmutz- und Regenwasser), Trinkwasser, Strom, Fernwärme, Gas, Telekommunikation und Glasfaser die Fußwege immer wieder unterbrechen.
Wenn man zudem bedenkt, dass diese Hausanschlüsse von verschiedenen Firmen und oft unterschiedlichen Kolonnen durchgeführt werden, kann man den Koordinationsaufwand erahnen. Selbst in der Bauüberwachung und in der Rolle des Bauherren müssen viele Akteure koordiniert werden. (Von Urlaubszeiten im Sommer und dem Fachkräftemangel wollen wir erst gar nicht reden...)
Die Einzelhändler, Mieter und Vermieter haben natürlich eine andere Perspektive. Für sie geht es um Arbeitsplätze, Existenzen und Tagesumsätze. In eine Stadt voller Baustellen kommen weniger Touristen, und die täglichen Zugangsprobleme stellen eine enorme Herausforderung dar.
In diesem Fall verschärfte sich die Situation noch dadurch, dass in den Rand- und Eckbereichen der einen Baustelle bereits die nächste begonnen hat. Manchmal sind es nur sogenannte Kopflöcher für die Fernwärme- oder Gasversorgung. Die Anforderungen an den parallelen privaten Wiederaufbau lassen wir der Einfachheit halber einmal außen vor.
Dass die Anlieger den Überblick verlieren und die Angst um ihre Arbeitsplätze oder täglichen Umsätze dominiert, ist verständlich.
Das ist nur eine von vielen täglichen Geschichten, die wir im Wiederaufbau tatsächlich hunderte Male erleben. Auf der einen Seite ist da das Glück und die Leistung, die Finanzierung durch bundesweite und landesweite Solidarität aufzustellen. Das ist nicht hoch genug zu schätzen und keinesfalls selbstverständlich.
Auf der anderen Seite steht die Herausforderung, die Baumaßnahmen in einem solchen Umfang in einer Tallage unter vielfältigen, oft persönlichen Rahmenbedingungen umzusetzen.
Ein kontinuierliches Nachbessern, Kommunizieren und Koordinieren ist hier entscheidend. Das Gesprächsklima, die Vertrauenskultur und das gegenseitige Aufpassen, dass niemand einfach resigniert aufgibt, sind von zentraler Bedeutung.
Deshalb ist der Wiederaufbau in solchen Dimensionen keine normale Stadtsanierung oder Großbaumaßnahme.
Im Ahrtal können wir in den kommenden Jahren immer wieder lernen, was wir gegenseitig brauchen, um unsere Zukunft zu gestalten und die Herausforderungen zu meistern.
Ich bleibe zuversichtlich!
Mut und Zuversicht!
Markus Becker